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Das sich beim Asian Underground auch in Deutschland immer mehr tut, zeigt auch das Projekt von Lelonek, das seine Anfänge in London bei den Anokha-Sessions hat und nun bei der Reise über den Kanal zu einer fünfköpfigen Band angewachsen ist.
Am 6. Juli 2001 stellten sie ihren Sound mit einem sehr beeindruckenden und vielseitigen Live-Instrumentarium im Rahmen der regelmäßigen Asian-Parties mit DJ Minsky im Roten Salon in Berlin vor. Natürlich gab es zwischen Aufbau und Soundcheck auch die Gelegenheit, ein paar Fragen zu stellen:


Ich hab von Euch bisher relativ wenig gehört, tretet Ihr das erste Mal zusammen als Band auf?
Lelonek: Ja fast. Wir sind zum zweiten Mal heut' als Liveband in dieser Besetzung zusammen. Letzte Woche haben wir in Bochum auf dem "Orient Inside"-Festival gespielt, zum ersten Mal, wie gesagt.
Mit dabei ist Simbad aus UK, London, an Keyboards und Flöte und general weirdness. Dann gibts den Mourad, Alex Schmidt, an der Oud und am Bass hier neben mir rechts. Der Jawed Iqbal aus Bombay an den Percussions und last but not least Thomas Hupp an Drums und Percussions. Das ist so das Setup, was wir im Moment machen.

Jawed: Und dann ist da noch der Lelonek.

Lelonek: Ja, ich mach auch noch ab und zu ein bißchen an den Maschinen...

Und habt Ihr jetzt schon Tonträger veröffentlicht?
Lelonek: Also wir haben eine CD gemacht, eine Compilation-CD. Das ist so die erste neue, die jetzt hoffentlich bald auf den Markt kommt, denn wir suchen noch ein Label im Moment. Die heißt "Reflections 01" und da ist schon von unserem Sound drauf: also Asian Underground, der auch in den Orient geht. Also von Thailand über Afrika, Arabien und so, also ‘ne sehr gemischte Sache. Das geht auch musikalisch im Stil von Trip Hop über Drum'n'Bass und ‘n bißchen der Frankfurter Trance-Sound auf einem Stück. Das sind zur Hälfte englische Artists und zur anderen Hälfte Deutsche, und wir haben auch eine Band aus Österreich dabei.

Die deutsche Asian Underground-Szene ist ja, soweit ich weiß nicht so groß - wie habt ihr Euch denn da zusammengefunden - kennt Ihr Euch schon länger?
Mourad: Ich kam dazu wie die Jungfrau zum Kind sozusagen, also das war so ‘ne Kettenreaktion, angefangen vom Kleinanzeigen lesen... Jetzt sitze ich hier in Berlin.

Also habt Ihr dann direkt gesucht um so eine Band zu formieren.
Lelonek: Ich mein, es ging schon ein bißchen von mir aus. Ich mach es auch schon ein paar Jahre - drüben in London seit wir damals im Blue Note "Anokha" gegründet haben. Das war so der Hauptclub mit dem der ganze Sound so angefangen hat. Und nach vielen zahlreichen Produktionen, Remixen und so weiter und so fort, haben wir uns jetzt entschlossen ‘ne Live-Geschichte zu machen, um auch die CD zu promoten, die wir rausbringen wollen. Und es hat eigentlich eher zu Hause hier in Deutschland wieder angefangen, Leute kennenzulernen. So wie Thomas und dadurch den Alex Mourad, Simbad kenne ich von London und Jawed ist ein alter Schulfreund von mir. Irgendwie hat das alles so gepaßt.

Und wie nennt Ihr Euch?
Lelonek: Ja die Band, also das Projekt heißt Lelonek - das gleiche wie mein Name, unter dem ich schon verschiedene Sachen herausgebracht habe. Und im Moment die Tour ist die "Reflections" Tour.

Und der Sound? Alte Lelonek-Sachen sind ja eher Drum'n'Bass. Geht er noch in die Richtung oder hat sich da was gewandelt?
Lelonek: Ich würde sagen, teilweise ist es schon noch so. Also der Sound ist schon noch sehr mit dem Drum'n'Bass verhaftet und jetzt ist aber auch durch eben diese ganzen akustischen Instrumente, die dazugekommen sind - die ja normalerweise bei Drum'n'Bass Sessions eher vom Sampler und so weiter kommen - schon ein anderer Sound einfach eingetreten. Es sind schon mehr Slowbeat-Sachen dabei, die auch ein bißchen relaxter sind. Und es geht manchmal Richtung Hip Hop-Grooves, einfach ein bißchen mehr akustisch.

Denkt Ihr, daß sich in der Asian Underground Szene jetzt ein paar wenige Bands einen Namen gemacht haben, also Asian Dub Foundation zum Beispiel oder Talvin Singh. Daß die halt vorne stehen und dahinter ist es relativ schwierig sich irgendwie jetzt einen Namen zu machen bzw. seine Musik zu verbreiten. Wie seht Ihr das?
Lelonek: Es stimmt schon. Natürlich ist es immer schwer sich hinter irgend ‘ner Massenproduktion zu verbergen - daß heißt in dem Sinne: Als der Asian Underground damals angefangen hat in Blue Note-Zeiten - da war das wirklich noch Underground. Das heißt DJs sind zusammengekommen und so - und Simbad kennt das auch noch, wie wir alle so Jam Session gemacht haben und geDJayt und einfach... da war so'n Vibe da. Und dann wurde es natürlich kommerziell verbreitert. Dadurch, daß eben diese ersten Bands da rausgekommen sind, wie Talvin oder Nitin Sawhney und Badmarsh & Shri und diese ganzen Bands einfach, die für den Sound stehen. Und danach wird's dann etwas einsamer, das ist ganz klar.
Allerdings würde ich dazu sagen, das ist eine immer wachsende Szene. Das heißt es hat nie aufgehört. Es ist kein Phänomen, das zwei Monate oder sechs Monate gedauert hat und dann total abgestorben ist, sondern ich entdecke jetzt immer wieder weiter, wenn ich jetzt nach Europa komme zum Beispiel, daß in jedem Land fast eben diese Musikart jetzt als ‘ne kleine Szene irgendwie wächst. Und das interessiert mich natürlich viel mehr als dieses ganze kommerzielle, das schon tausendmal wiederholt worden ist.


Simbad, du kommst ja aus London - welche Erfahrungen hast du denn dort mit der Entwicklung der Asien-Szene gemacht?
Simbad: Seit fünf Jahren mache ich dort in einem Studio Musik und habe da auch Friedel [Lelonek] durch die Anokha-Sessions kennengelernt. Und in London gibt es ja so viele verschiedene Dinge und daß ich zum Asian Underground gekommen bin, ist gar nicht so lange her - zwei Jahre vielleicht. Und mit Friedel verbinden mich dabei viele schöne Erlebnisse, so daß wir jetzt auch zusammen Musik machen und auf Tour gehen.
Aber Asian Underground beeinhaltet sehr viele Richtungen: Du kannst es so nennen, wenn du Drum'n'Bass mit Acapella machst, von woher auch immer... Indien oder... Es ist so, als ob du von Jazz redest - es ist sehr schwer, zu sagen, was Asian Underground genau ist...

Eine Mischung von vielen Sachen...
Simbad: Ja, vollkommen! Manchmal ist es nicht einmal direkt aus Asien - es ist aus arabischen Ländern oder...

Ja, eher international!
Simbad: Ja, genau.

Hat die Szene in London ihren Höhepunkt erreicht oder entwickelt sich noch mehr?
ASimbad: Ich denke, sie wächst immer noch, denn es gibt neue Entwicklungen in der Breakbeat-Szene und beim 2-Step / Garage. Viele asiatische Musiker verbinden die 2-Step-Einflüsse mit ihrem Sound, also denke ich schon, daß sich da noch einiges tut. Und es gibt so vieles, was man machen kann: Du kannst - was weiß ich - du kannst Trash-Metal mit Tabla machen ;-) Auch wenn ich da persönlich nicht hingehen würde, aber du kannst eben alles machen - mit Dub und so weiter...

Ja... Ich war im letzten Dezember in Indien und bin von Bombay nach Norden nach Gujarat geradelt...
Jawed: Geradelt? Hört hin!

Ja... und hab da sehr viele Leute getroffen, die sehr hilfsbereit sind und wo es mir mal nicht so gut ging, mich aufgenommen haben, mir geholfen haben und so weiter. Und diese Hilfsbereitschaft - habe ich mir durch den Kopf gehen lassen - wär das so, wenn ein Inder nach Deutschland kommen würde und so eine Reise geplant hätte? Hast du da vielleicht Erfahrungen gemacht in der Richtung?
Jawed: Ich habe große Erfahrungen gemacht. Bis jetzt hab ich sehr viele hilfsbereite Deutsche kennengelernt und einige wenige nicht hilfsbereite, muß ich sagen.
Aber das Radfahren erinnert mich an etwas, weil mein Vater der ist auch wegen einem deutschen Radfahrer nach Deutschland gekommen. Dieser Radfahrer - 1956 ist er mit dem Fahrrad von Würzburg in Bayern nach Amritsar geradelt, hat dort meinen Vater kennengelernt und hat dann das in die Wege geleitet, daß er nach Deutschland kommen konnte. Also auch ein sehr hilfsbereiter Deutscher sozusagen.

Es gibt überall solche und solche...
Jawed: Ja, es gibt überall gute Leute und schlechte Leute - es gibt auch in Indien Leute, die nicht so cool sind...

Thomas, ich hab mich auch so ein bißchen in Richtung Tabla informiert und es ist ja sehr wichtig, da einen Lehrer zu haben, einen Guru. Hattest du da einen oder wie hast Du Dich dahin entwickelt, daß du jetzt so gut Tabla spielen kannst?
Thomas: Meine Frau, die ist aus Bombay, hat mich an eine Schule in Bombay vermittelt, eine Art Konservatorium für indische Musik. Von vornherein hatte ich fundierten Tabla-Unterricht und seit 15 Jahren einen Tabla-Guru zu dem ich regelmäßig fahre und Unterricht nehme und Sachen aufnehme, die ich hier dann verarbeite und umsetze aufs westliche Schlagzeug. Ich bin ja eigentlich von Haus aus westlicher Percussionist, also klassischer Percussionist und dann in verschieden Funk-, Fusion-, Jazz-Projekten gespielt. Also es kommen viele verschiedene Einflüsse bei mir zusammen. Und speziell der indische ist ein sehr gewichtiger.

Lelonek: Und da muß ich noch dazu sagen, Thomas hat auch ein Buch veröffentlicht - auch eine sehr einmalige Sache mit ‘nem Vorwort von Zakir Hussein, dem "World Tabla God"! Und es geht darin um die ganze Geschichte, der Umsetzung dieser doch für uns komplizierten 7, 10, 6 ½, 9- Rhythmen - die in der indischen klassischen Musik ja so Gang und Gäbe sind - auf europäisches Schlagzeug, auf europäische Percussionsinstrumente. Das hat er in einem ganz tollen Buch zusammengebracht - und... respect!


Wenn du in Indien gespielt hast oder Kontakt hattest mit Leuten aus Asien - wie wird da diese Verbindung aus traditioneller und moderner westlicher Musik aufgenommen? Gibt's da eine Akzeptanz oder ist da eher Ablehnung die Haltung?
Thomas: Es hat sich in den letzten Jahren unheimlich geändert. Also es entstehen Fusion-Bewegungen, auch Asian Underground-Bewegungen, Techno-Einflüsse... Bombay, Indien ist ja durchs Internet, durch weltweite Verbindungen melting pot geworden, wo alle Einflüsse zum Tragen kommen. Und die Szene öffnet sich dort unheimlich.
Vor zehn Jahren war's noch mehr klassisch orientiert, aber es geht mehr in die Ebene Asian Underground, Fusion-Richtung. Das ist ein neuer Trend in Bombay, in Indien überhaupt. Speziell Talvin Singh ist ein Beispiel für moderne indische Musik.

Eine Frage noch an dich Lelonek... Du bist ja nach England gegangen damals. Aus welchem Grund: War das auch weil du dachtest, dort die Musik, die du magst, dort besser machen zu können, freier sein zu können als hier in Deutschland?
Lelonek: Da könnte ich natürlich "ja" dazu sagen ;), aber es stimmt eigentlich überhaupt nicht. Es war ein ganz, ganz persönlicher Grund irgendwo. Eigentlich so, wie er es fast jedem passiert, so mit Ex-Freundin und so weiter und so fort... und einfach tiefer Frust irgendwie und so weit wie möglich weg von der Situation., die mich eigentlich nach London getrieben hat.
Allerdings muß man auch dazu sagen, daß ich vorher auch schon die School Of Audio hier gemacht hab, in Frankfurt damals als Sound Engineer und bin dann eben mit dieser ganzen Geschichte da rüber gegangen. Und ich hab dann gleich einen Sound Engineer-Kurs in London mitgemacht für zwei Jahre und dann halt einfach die Arbeit danach angefangen, als Engineer überall zu arbeiten in den ganzen Studios im ganzen UK eigentlich und so hat sich das dann einfach entwickelt.
Und mittlerweile ist es so, wir kommen jetzt wieder auch oder ich komme auch wieder hier her jetzt die ganze Zeit im Moment. So geht es, hier in Deutschland auch was aufzubauen, um einfach unseren Sound rüberzubringen. Und ich finde, ich habe viel von den Erfahrungen gelernt, die ich damals mit den jungen Indern in London hatte. Als ich drüben zum ersten Mal aufgetaucht bin, gab's so was wie dieses Asian Underground überhaupt nicht und es war halt "nur" ‘ne Bhangra-Szene so teilweise. Und wie gesagt mit Anokha: Am Anfang waren eigentlich nur sehr viele weiße Leute dort und kaum Inder, es war ganz umgekehrt und das hat sich erst nach und nach entwickelt dieses Selbstbewußtsein. Und da fühl ich doch, daß zum Beispiel in Deutschland, zum Beispiel mit euch, mit Ausländern wie Türken und so weiter, sehr viel mehr passieren könnte - MÜßTE eigentlich, für meine Begriffe. Um diese gleiche Force noch mal zu bringen - da ist noch ein unheimliches Potential da, finde ich und da würde ich gern dabei sein, das zu öffnen.

Vor einer Woche war ich beim Natacha Atlas Konzert in Hamburg und es war ein sehr gemischtes Publikum, und die Masse hat richtig Party gemacht. Ich war auch bei dem Konzert vor zwei Jahren und damals war es eine eigenartige Situation, weil das größtenteils deutsche Publikum vorwiegend zuschaute und kaum mitmachte. Diesmal aber war es sehr international und die Leute fingen an, den Rhythmus zu klatschen und steckten damit auch alle anderen an!
Simbad: Genau das ist das Phänomen, was wir wollen!


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last update: 19. may 2020
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