ec8or
Mitte dieses Jahres veröffentlichten Gina V. D'Orio und Patric C. ihr zweites Album "World Beaters" auf dem Label DHR (Digital Hardcore Recordings) von Alec Empire. Die beiden Berliner stoßen damit erneut in die abgrundtiefen Grenzbereiche ihrer Computer und Gehirne vor. Musikalische Einordnungen entziehen sie sich durch eine große Bandbreite an Sounds. Die Schublade Gabba paßt als Bezeichnung für ihre Musik ebenso wenig wie die Kategorien Hip Hop oder Cyberpunk. Schnelle 4/4-Takt Rhythmen treffen auf kratzende Noise-Loops und E-Gitarrenfetzen durchdringen verzerrte Breakbeats.
Dies alles war Grund genug, sie in Electrigger #2 einmal vorzustellen und ihnen am 07.09.'98 einige Fragen zu stellen:

EC8OR liveInterview mit Patric und GinaEC8OR live + Stagediver
Wie ist denn der doch schon recht eigenwillige und einprägsame Name von Euch zustande gekommen?
Patric: Also ich habe den Namen zum Sprühen benutzt; mit 13, 14 Jahren. Abgeleitet ist das von Eradicator, aber das war zu lang und da habe ich halt diese kürzere Form gemacht. Und so ist es entstanden, daß ich auch Musik darunter gemacht habe - mit Gina zusammen.

Gina: Wir haben einfach den Namen behalten!

Habt Ihr immer unter dem einen Namen Musik gemacht, oder hast Du vorher allein Musik gemacht?
Patric: Ich habe vorher auch allein Musik gemacht, aber das war unter dem Namen "E de Cologne", aber es gab auch schon Releases unter EC8OR, den Mouse On Mars-Remix zum Beispiel... Aber im Grunde war meine Hauptsache noch "E de Cologne".

Habt Ihr eine bestimmte Arbeitsaufteilung, wenn Ihr Musik macht?
Gina: Wir machen das alles gemischt. Wir beide schreiben die Texte zusammen, wir machen auch die Musik zusammen.

Was ist die Message bei Euren Texten, die klingen manchmal sehr ironisch und krass, man kann es ja nicht irgendwie als Gewaltaufruf interpretieren. Ist das Euer Bild von der Welt, das Ihr zeichnet?
Gina: Bei unseren Texten ist sehr viel assoziatives dabei. Also es ist manchmal nicht richtig direkt, obwohl es das ist. Nur manchmal muß man auch hinter die Zeilen gucken und versteht es im Zusammenhang mit der Musik. Also es sind auch keine geheimen Botschaften, die nur privilegierte Leute erfahren dürfen, sondern jeder.

Patric: Ich fände es auch Schwachsinn, uns jetzt festzulegen auf ein Thema und ich finde es blöd, nur ein Thema in einem Song zu behandeln; es ist alles super vielschichtig. Genauso vielschichtig wie die politische Struktur in gewisser Weise. Und man kann das nicht an einer Sache festmachen, auch nicht anhand von "einfach nur Aufrufen" oder so. Denn viele Sachen wissen die Leute noch gar nicht, die man ihnen auch erst vielleicht erklären muß. Und dann gibt es wieder andere, die auf Anhieb wissen: "Ja, genau darauf haben wir gewartet!" , wie wir auch in Amerika erfahren haben.

Worauf haben die Leute in Amerika gewartet? Das jemand bestimmte Sachen ausspricht oder so?
Patric:Das es einfach Leute gibt, die das gesamte Schema total durchbrechen; und sich nicht immer wieder formen lassen und darauf achten, daß der Sound okay ist, um den nächsten Radioplay zu haben. Wir haben bewiesen, daß man, obwohl man keine Rücksicht nimmt auf irgendwelche Frequenzen, die vielleicht dem Radiohörer unangenehm sein könnten, trotzdem in Amerika doch super viele Airplays kriegen kann.

Also Ihr seht Euch schon als politische Band in gewisser Hinsicht?
Patric: Klar, auf jeden Fall!
Gina: Und das kann man auch auf verschiedene Art und Weise tun. Wir sind nicht so, daß wir uns auf eine bestimmte Sache festlegen, sondern das ist sehr mannigfaltig.

Ja, daß man das, was man so erlebt, in allen seinen Texten verarbeitet und nicht nur einen Song zu einem bestimmten Thema macht, also nicht sagt: "Normalerweise mache ich solche Songs, aber der Song soll ein politischer sein!". Bei Euch ist das eher homogen...
Patric: Also ich finde auch, daß die Sachen, die jetzt keine Lyrics haben, irgendwie auch für eine gewisse Attitüde sprechen.
Gina: Die haben auch ein Statement. Und es kommt auch auf die Energie an, und die Emotionen und den Enthusiasmus. Und darum geht’s!

Wie seid Ihr damals zu Digital Hardcore Recordings gekommen?
Patric: Also ich kenne Alec schon super lange und wir haben oft zusammen irgendwo gespielt. Und es war dann die Rede, daß ich was auf Digital Hardcore Recordings mache. Deswegen wurde ich gebucht auf dem Digital Hardcore Recordings Festival und da habe ich die Leute besser kennengelernt und fand das auf Anhieb alles total gut.
Und auch wie hier die Szene einfach drauf war. Das kannte ich zu der Zeit in der Form noch nicht, daß die Leute wirklich ohne weiteres Pogo zu der Musik machen; oder Stagediven oder so. Und das hat mich sofort dazu gebracht, nach Berlin auch zu ziehen. Am selben Abend habe ich Gina kennengelernt.

Gina: Ich habe da mit einer Band von mir gespielt, denn ich habe auch schon vor EC8OR Musik gemacht. Da haben Patric und ich uns kennengelernt und einen Tag später haben wir dann zusammen Musik gemacht und haben gedacht, okay das ist EC8OR.

Seht Ihr Euch in einer gewissen Tradition von Punk oder Techno? Denn das ist sicherlich sehr schwierig, mit den Texten einerseits und mit der Musik andererseits.
Gina: Also ich würde das nicht so festlegen auf irgendwelche Begriffe, die irgendwie alles und gar nichts heißen. Natürlich gibt es irgendwelche Verbindungen, weil wir benutzen elektronisches Equipment, aber wir machen keinen Techno. Und wir benutzen Gitarren, aber es ist auch kein Punk. Also man kann nicht EC8OR nehmen und sagen, das ist ein bißchen Techno und ein bißchen Punk mit einem bißchen HipHop oder so was, weil das nicht geht!

Patric: Und so direkt in einer Tradition würde ich eh nicht sagen. Also ich habe immer viel unterschiedliche Musik gehört und von daher bin ich dann beeinflußt. Aber ich habe jetzt nicht eine direkte Band, wo ich sage: "Okay, daher ist der Funke übergesprungen", obwohl wir in Studios auch Cover gemacht haben...

Gina: Obwohl das auch nicht zu unterschätzen ist!

Der Einfluß?
Gina: Ja schon! Ich weiß nicht, inwieweit man sowieso von allem beeinflußt ist. Aber wir sind nicht so, daß wir sagen: "Wir stehen in der Tradition von der und der Musikrichtung", sondern wir machen EC8OR. Das hat nichts mit irgendeiner Tradition zu tun!

Vom Sound her klingt Eure Musik oder die Musik von Digital Hardcore Recordings allgemein sehr minimalistisch. Also mit relativ einfachem Equipment große Sachen herausgeholt. War das als Ihr angefangen habt, Mittel zum Zweck oder habt Ihr das später bedauert? Ist das Euer eigenes Klangverständnis?
Patric: Also ich vermisse keine teuren Produktionsmittel so richtig. Wir machen unsere Musik meistens so, daß wir sie nur zu Hause aufnehmen können. Wir könnten jetzt kein Album fertigmachen und es dann quasi im Studio einspielen. Da hätte ich keine Lust drauf und ich finde auch, daß dann die ganze Energie verloren ginge. Wir nehmen das Ganze zu Hause auf, viele Sachen live, viele Sachen werden über Harddisk-Recording gemacht, aber vermißt habe ich noch nie irgendwelche teuren Produktionsmittel.

Gina: Weil man kann mit allen Musikinstrumenten, egal was es ist, Musik machen. Das kommt auch nicht auf das Geld an, das man hat, es geht auch mit ganz einfachen Mitteln. Und wir sind auch nicht so, daß wir am Anfang einen kleinen Computer hatten und den dann weggeschmissen haben und gesagt haben: "Okay jetzt kaufen wir uns mehr". Sondern wir nutzen alles, was wir haben und behandeln aber alle Gegenstände oder alle Instrumente auch gleich. Also wir holen aus allem alles raus und lassen uns nicht davon einschränken, daß wir sagen: "Wir brauchen das und das, weil das ist teuer und gut!" Das braucht man nicht...

Patric: Viele Fans haben uns gesagt, das zweite Album ist ja gar nicht mehr so Amiga-mäßig. Aber das war auch der Punkt, denn wir wollten auch nicht darauf hängenbleiben. Viele Sachen haben wir auf dem Amiga gemacht. Die haben wir dann nur für die Platte noch mal anders aufgenommen, damit der Unterschied da ist zum ersten Album; auch vom gesamten Volumen her. Aber dadurch, daß sie auch auf dem Amiga gemacht sind, gibt es uns immer noch die Möglichkeit, auch mit dem Amiga live zu spielen.
Ich weiß nicht, wir haben viel mehr Möglichkeiten, vielschichtiger zu arbeiten. Das war am Anfang immer eine bißchen das Problem, da war die Gitarre doch ein bißchen zu leise oder so, weil wir hatten nur zwei Cinch-Ausgänge und mußten irgendwie alle Instrumente darüber abmixen.

Gina: Wir machen das ja manchmal immer noch; es kommt darauf an, wie wir Bock haben. Und wir hatten am Anfang halt nur das und den Amiga, aber damit kann man auch sehr viel machen. Also mehr als die Leute denken, wahrscheinlich...

Sowieso, ich meine es kommt ja sowieso nicht auf die Technik drauf an, wieviel Du hast und wie teuer die ist, denn mit minimalem Equipment lernst Du Deine Geräte ordentlich kennen, was Du da herausholen kannst. Hauptsache ist auch die Atmosphäre, die Stimmung und das Gesamtbild was rüberkommt...
Patric: Ja, wir haben auch keinen einzigen Synth. Also ich habe einen alten Analog-Synth, ein totales Kack-Teil... Der Rest sind nur Samples.

Gina: Das ist uns auch scheißegal, wir machen einfach Musik!

Manchmal hat man das Gefühl, daß EC8OR immer ein bißchen im Schatten von Atari Teenage Riot genannt wird, oder steht. Da gibt es viele Parallelen irgendwie, man hört z.B. immer mehr, daß der weibliche Part optisch sehr ähnlich aussieht, auf den ersten Blick sehr leicht zu verwechseln...
Gina: Das ist für mich total oberflächlich! Dann müßte man ja Tausende von Leuten, die irgendwas machen, miteinander vergleichen... Alle Männer, die blonde Haare haben, sehen dann auch gleich aus oder so! Das ist totaler Quatsch! Und wir sehen uns nicht im Schatten von Atari, weil EC8OR ist eine ganz andere Band und wir machen die Sachen auch anders.
Die Leute brauchen oft immer irgendwelche Parallelen: Bücher vergleicht man auch mit anderen Büchern, und Filme mit anderen Filmen. Aber das ist ja nur ein Hilfsmittel. Also wir finden das nicht - und da sind sich auch alle einig.

Patric: Na ja, es ist einfach so: Also wenn wir jetzt vom Sound her so komplett anders wären, dann wären wir vielleicht auch nicht zufällig auf dem selben Label. Andererseits geht Atari die ganze Sache auch komplett anders an...
Ich weiß nicht, also ich habe da noch nie so in der Form darüber nachgedacht, daß das jetzt damit zu tun hat, daß irgend jemand im Schatten steht oder sonstwie. Weil jeder macht halt einfach seine Sachen, wo er Lust drauf hat. Alec hat auch das Ganze aufgebaut mit Digital Hardcore Recordings. Von daher ist das auch kein Wunder.

Gina: Außerdem gibt es sie auch schon länger! Ich finde so was zu reden sowieso ein bißchen lächerlich!

Sicherlich, das sind auch nur Sachen, die man so von den Leuten mitbekommt. Und da muß man jetzt nicht EC8OR heranziehen. Du kannst auch jedes andere Projekt nehmen, zu sagen: die haben nicht die Verkaufszahlen oder diesen Kult wie Atari Teenage Riot...
Patric: Es geht mir auch gar nicht um Verkaufszahlen. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was bisher mit EC8OR so passiert ist. Von daher habe ich gar keine Lust, mich damit zu beschäftigen.

Euer größtes Publikum - ist das hier in Europa zu finden, oder in den Staaten? Ihr habt ja auch schon viel auswärts gespielt, wie sah das da aus?
Patric: Also in Amerika war bis jetzt die meiste Reaktion, einfach auch durch die Tour letztes Jahr. Da haben wir auch einfach die meisten Leute, die wir so erreichen mit der Musik. Japan ist auch ziemlich gut, aber Europa will ich jetzt auch nicht so abtun. Also Deutschland tut sich etwas schwer irgendwie, aber andererseits kann man auch nicht sagen, daß ist jetzt Schuld von Deutschland oder so. Aber vielleicht...

Gina: Vielleicht ja doch!

Patric: Vielleicht fehlt den Deutschen einfach der Mut oder so, ich weiß nicht...

Gina: Irgendwann wird der Tag kommen!

Auf der Fuck Parade dieses Jahr habe ich einige Leute gesehen, die auch mit einem EC8OR-T-Shirt rumgelaufen sind. Aber eigentlich hätte ich auch erwartet, daß auch ein Wagen von Digital Hardcore Recordings dabei ist.
Gina: Sie können meinetwegen so eine Fuck Parade machen, aber ich finde das auch für mich nicht so relevant, weil es nach den gleichen Strukturen läuft, wie die Love Parade. Und außerdem das ganze Thema für mich total überholt ist. Die Love Parade ist ein Volksfest wie das Oktoberfest oder wie jede andere Veranstaltung.
Und vor allem geht es denen von der Fuck Parade, glaube ich, gar nicht um irgendwelche kleinen Sachen. Sondern denen geht es darum, daß die konservativen Hardcore-Langweiler-Musiker dann auch da langfahren dürfen und sich auch Wagen bauen und dann ein bißchen herumstampfen können.

Patric: Also auf der ersten wurde ich ja von Chrome gefragt, ob ich da was machen will und habe da auch aufgelegt. Aber was ich dann gesehen habe, hat mich einfach nur noch an die Love Parade erinnert. Aber gleichzeitig war es so, daß sich die Leute, die angeblich extremere Sachen hören oder die nach vorne treiben wollen, so automatisch in eine kleine Opposition gebracht haben, die dann ohne die Love Parade eigentlich gar nicht mehr funktionieren würde. Was ich aber total falsch finde!
Und die Haupt-Statements kamen dann von irgendwelchen glatzköpfigen Typen, die aussahen wie so ein Feldwebel, die dann geschrien haben, wir wollen unseren Bunker wiederhaben. Und dann fand ich das Ganze auch verfehlt und da hatte ich dann gar keine Lust, bei der zweiten noch irgendwas zu machen.

Gina: Aber es ist trotzdem gut, wenn da die Leute EC8OR-T-Shirts anziehen. Das können sie auch ruhig machen.

Hat man schon mal versucht, Euch wegzulocken von Digital Hardcore Recordings auf ein anderes Label? Oder versucht, Euch musikalisch umzupolen und aus Euch etwas anderes zu machen?
Gina: Was denn?

Keine Ahnung... man hat das ja wohl mal mit - Scheiße, schon wieder - Atari Teenage Riot vorgehabt...
Patric: Ganz am Anfang ist mir so was mal passiert, mit "E de Cologne". Als ich damit angefangen hatte, war ich bei einem Label, die irgendwann aufgehört haben, solche Sachen zu machen. Und die wollten dann, daß ich in eine andere Richtung gehe. Aber das habe ich nicht gemacht und dann kam auch dieser Bruch.

Gina: Mir ist so was ja auch mal fast passiert: Bei meiner ersten Band, wo ich gespielt habe, die sollten dann auch einen Vertrag unterschreiben. Aber da bin ich dann ausgestiegen, weil ich hatte keine Lust: dann hätte ich immer jede Woche zum Instrumentenunterricht gehen müssen und hätte auf einmal Popmusik machen müssen. Das habe ich aber nicht gemacht!

Wie wird es weitergehen? Die neue CD "World Beaters" ist ja schon seit einigen Monaten draußen - und was steht jetzt im Herbst ’98 oder im nächsten Jahr an?
Patric: Wir gehen im November auf Tour. Erstmal nur in Deutschland durch die größeren Städte: Köln, München eventuell - obwohl das immer so ein Problem ist in München, Frankfurt wahrscheinlich und Hamburg... und mal gucken wohin noch. Dann sind wir erst mal in New York und eventuell lege ich da auch noch mal auf.

Gina: Gerade machen wir noch eine EP und then we’ll see... Es geht immer weiter!

Patric: In der nächsten Zeit kommen auch viele Sachen noch raus. Jetzt kommt erst mal noch eine Limited von mir, die ist 45 Minuten lang und kriegt man für den Preis einer Maxi. Und dann habe ich noch zwei Stücke auf der nächsten Electric Ladyland. Ja, also es passiert weiterhin sehr viel...

Gina: Im Oktober kommt die Platte von meiner anderen Band Cobra Killer heraus, die ich zusammen mit Annika mache, die bei Shizuo mal gesungen hat. Watch out for Cobra Killer!


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